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22 Oktober 2024 @ Christoph Fuchs

Produktplattformen – drei typische Missverständnisse

Henry Ford sagte einst: „Jeder Kunde kann ein Auto in jeder gewünschten Farbe haben, solange es schwarz ist.“ Ein Jahrhundert später hat sich das globale Fertigungsumfeld drastisch verändert. Kunden möchten nicht mehr bloß irgendein Auto kaufen, sondern ein Auto haben, das ihren individuellen Vorstellungen entspricht!

Für Unternehmen ist ein solches Marktumfeld eine Herausforderung. Die Portfoliokomplexität kann durch das Wachstum neuer oder veränderter Marktsegmente, aber auch durch die erforderliche Individualisierung von Produkten ins Unermessliche steigen. Bei der Produktentwicklung ist ein effektives Plattformdesign von entscheidender Bedeutung, um erfolgreich auf unterschiedliche Kundenbedürfnisse eingehen zu können.

In der Produktentwicklung sind Plattformen eine beliebte Methode zur Reduzierung der Komplexität von Produkten, die im Wesentlichen die Produktarchitektur in gemeinsame Module oder Plattformbausteine​ und marktspezifische Module unterteilt. Mithilfe von Plattformen können wir gezielt auf das Element der Standardisierung und Nutzung von Synergien abzielen, um die Produkt- bzw. Portfoliokomplexität zu reduzieren.

In der Praxis werden Plattformen jedoch oft missverstanden. Es hat sich gezeigt, dass viele Menschen mit dem Begriff „Plattform“ den traditionellen „One-size-fits-all“-Plattformansatz assoziieren. Im Folgenden werden drei der häufigsten Missverständnisse über Produktplattformen erläutert.

Die Plattform als Schweizer Taschenmesser

Das Schweizer Messer: als vielseitiges Taschenmesser kann dieses für verschiedenste Funktionen verwendet werden – vom Schraubenzieher, Dosenöffner, Uhrengehäuseöffner, Nagelfeile, Zahnstocher, bis zum Fischentschupper.

Wichtig dabei ist, dass es viele verschiedene Funktionen gleichzeitig erfüllen kann und dieses als Produkt auch tatsächlich umsetzbar ist. Die Krux dabei ist, dass ein solches Messer für den alltäglichen Gebrauch einfach zu teuer und zu komplex ist. Nur ein sehr kleiner Teil der Kunden benötigt oder kann alle Funktionen nutzen.

Die Plattform als Schweizer Taschenmesser

Eine zu hohe Komplexität der Produkte entsteht, wenn sehr unterschiedliche Marktsegmente in einer gemeinsamen Plattform abgebildet werden. Solch ein überdimensioniertes Produkt ist in preissensitiven Märkten in der Regel einfach zu teuer.

Die Plattform als „Eierlegende Wollmilchsau“.

Stellen Sie sich im Vergleich zum Schweizer Taschenmesser die Metapher der „Eierlegende Wollmilchsau“ vor – ein imaginäres Tier, das alle möglichen Kundenbedürfnisse auf einmal erfüllt. Ein solches Tier existiert nur in unserer Vorstellung und kann in der Realität nicht umgesetzt werden! Es ist daher eine Metapher für all die Träume von dem, was wir manchmal wollen, aber nicht in einem haben können. Würde man nämlich darauf drängen, ein solches Tier in der Realität zu erschaffen, würde sich dies als unmöglich erweisen oder die Qualität aller enthaltenen Aspekte drastisch reduzieren – und das alles zu exorbitanten Kosten.

Die Plattform als „Eierlegende Wollmilchsau“

Die Plattform getrieben durch Angst und Unsicherheit

Die dritte Denkweise, die zu einer falschen Interpretation und Entwicklung von Produktplattformen führen kann, hängt mit Angst und Unsicherheit zusammen. Negative Erfahrungen und Misserfolge aus der Vergangenheit können den Entscheidungsprozess prägen und dazu führen, dass Menschen sich auf vermeintlich risikofreie Entscheidungen wie etwa Einheitslösungen verlassen. Dabei besteht auch die Gefahr, dass wir, wenn wir versuchen, es allen recht zu machen, es schlussendlich niemandem recht machen können. Dieser Ansatz ist eng mit dem Beispiel des Schweizer Taschenmessers verbunden. Der Unterschied besteht darin, dass Handlungen aus Angst und Unsicherheit entstehen und nicht aus dem Glauben, man wisse, was der Kunde will. Oftmals führt Angst jedoch zum gleichen Endergebnis, nämlich zu Over-Engineering, Silodenken und unnötiger Produktkomplexität.

Die Plattform getrieben durch Angst und Unsicherheit

Der richtige Weg


Nachdem wir uns den drei wichtigen Fallstricken gewidmet haben, stellt sich die Frage nach der richtigen Vorgehensweise bei der Definition und Entwicklung einer Plattform. Die Antwort liegt darin, sicherzustellen, dass wir Plattformen mit einem Baukasten-Ansatz bauen und daher nicht in die Falle tappen, Einheitslösungen schaffen zu wollen.

Baukasten-Ansatz als richtiger Weg für eine Plattform Entwicklung




Der Schlüssel für eine erfolgreiche Plattformentwicklung liegt in dem Konzept der gemeinsamen Kernplattform (core-platform). Dies bedeutet, dass alle Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Marktsegmenten extrahiert und diese einer gemeinsamen Kernarchitektur zugeordnet werden. Dies bedeutet automatisch, dass der gemeinsame Kern umso kleiner wird, je mehr Marktsegmente angesprochen werden müssen.
Es sollte auch klar sein, dass die gemeinsame Kernplattform kein eigenständiges Produkt ist. Mit anderen Worten: Die Kernplattform muss mit marktspezifischen Modulen und definierten Schnittstellen kombiniert werden, um ein verkaufsfähiges Produkt zu schaffen.

Der obige Artikel ist ein Auszug aus „Mastering Disruption and Innovation in Product Management“ (Springer, 2018).[Unser Produktinnovation Experten Team (hood-group.com)]

Um mehr zum Thema Plattformen als Teil der Produktinnovation mit HOOD zu erfahren, schauen Sie sich unsere Dienstleistungsangebote (https://www.hood-group.com/beratung/produktinnovation) an.

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Christoph Fuchs

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Christoph ist ein erfahrener Experte im Product Lifecycle Management mit einer beeindruckenden Karriere im zentralen Forschungs- und Technologiebereich eines internationalen High-Tech-Konzerns. Mit einer Kombination aus tiefgreifendem Fachwissen, innovativem Denken und einem ganzheitlichen Ansatz ist Christoph ein anerkannter Experte für die frühe Phase der Produktentstehung. Diese schließt die wesentlichen Disziplinen wie Innovationsmanagement, Produktmanagement sowie Systems Engineering und Modularisierung ein.

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