Agile Engineering
Die Autoren Arthur Kolb und Philipp Hecker gehen der Frage nach, ob sich Managementmethoden der agilen Softwareentwicklung in traditionellen Unternehmen (beispielsweise im Maschinenbau) anwenden lassen, und bewerten den Erfolg der eingeführten Methoden anhand der Mitarbeitermotivation [1].
Ausgehend von der agilen Entwicklungsmethode Scrum schlagen die Autoren vor, agile Methoden stufenweise einzusetzen, wobei der Umfang und die Intensität jeweils von der Komplexität sowie der Mitarbeitereinbeziehung abhängen. Hierzu stellen sie eine Anwendungsentscheidungsmatrix vor (Agile Application Map siehe [1]), die im Folgenden kurz vorgestellt wird.
Anhand der Kriterien „Aufgabenkomplexität“ und „Mitarbeitereinbeziehung“ kann eine Einteilung von Projekten bzw. Arbeitsumgebungen erfolgen, die die Anwendung bestimmter Managementmethoden erfordern. Diese Methoden verwenden wiederum in unterschiedlichem Ausmaß Praktiken der agilen Softwareentwicklung SCRUM.
Der Grad der Mitarbeitereinbeziehung gibt an, in welchem Ausmaß das Resultat einer Aufgabe von der Einbeziehung und Motivation des ausführenden Mitarbeiters abhängt. Beispiel für ein geringes Maß dieses Indikators wäre die Fertigung von einfachen Produkten am Fließband mit geringen Fehlerraten. Beispiele für Tätigkeiten mit einem hohen Mitarbeitereinbeziehungsgrad sind kreative Aufgaben wie der Entwurf und die Gestaltung neuer Produkte, mit hohem Anspruch an die Qualität. Diese Tätigkeiten beanspruchen in der Regel die höchste Konzentration des ausführenden Mitarbeiters.
Der Grad der Aufgabenkomplexität beschreibt die Überschaubarkeit einer Aufgabe für den ausführenden Mitarbeiter. Geringe Komplexität ist beispielsweise bei Berechnungen mittels Excel, in der Eingangsdaten, Berechnungsfunktionen und Ausgangsdaten zu definieren sind, gegeben. Beispiele für Aufgaben mit hoher Komplexität sind die Entwicklung von Flugzeugen, Düsentriebwerken oder Kraftwerken.
Anhand der Aufgabenkomplexität unterscheiden die Autoren das Gebiet des Linienmanagements und des Projektmanagements. In Kombination mit der erforderlichen Mitarbeitereinbeziehung ergeben sich daraus vier verschiedene Bereiche für Projektarbeit bzw. allgemeine Tätigkeiten im Management:
– Arbeitspakete
– Agile Kommunikationspraktiken
– Inkrementell Agile
– Agile Engineering
Jedem dieser Bereiche kann ein Management- bzw. Methodenansatz zugeordnet werden, der sich im Umfang an agilen Prinzipien und Techniken unterscheidet.
Im Bereich der Arbeitspakete (geringe Komplexität der Aufgaben; geringe Mitarbeitereinbeziehung) ist die Anwendung von Prinzipien des „Lean Managements“ ausreichend. Hier werden Aufgabenpakete definiert und vergeben. Es wird davon ausgegangen, dass die Mitarbeiter in diesem Umfeld ihre Aufgaben isoliert von anderen Unternehmensbereichen erfüllen können. Spezielle Anforderungen an die Kommunikation sind nicht erforderlich, Ergebnisse werden nach Zeitplan erwartet und geliefert. Dieser Ansatz ist vor allem bei Mitarbeitern geeignet, die man als Spezialisten bezeichnen kann, und die ohne große Einbindung in einem Team für sich arbeiten können.
Im Bereich geringer Arbeitereinbeziehung aber hoher Aufgabenkomplexität wird der Ansatz der Arbeitspakete mit agilen Methodenelementen kombiniert. Hier werden komplexe Entwicklungstätigkeiten in kleinere Einheiten untergliedert und diese mit dem Ansatz der Arbeitspakete (wie beschrieben) abgearbeitet. Hier erarbeiten sich die Beteiligten das Verständnis für das große Ganze inkrementell. Um sich nicht in der Komplexität der Aufgaben zu verlieren, wird die Anwendung von Time Boxing und Definition von kleinen Aufgaben empfohlen (beides Methoden aus SCRUM). Die Einführung von regelmäßigen (Kern-) Team-Meetings soll ein angemessenes Schnittstellenmanagement sicherstellen.
Im Bereich geringer Aufgabenkomplexität aber hoher Mitarbeitereinbeziehung wird die Einführung von agilen Kommunikationsmethoden empfohlen. Im Vordergrund stehen der Austausch von Informationen sowie eine verbesserte Zusammenarbeit der unterschiedlichen Mitarbeitertypen. Der Mitarbeiter soll sich als ein integraler Bestandteil verstehen, sowie Wertschätzung erfahren. Dieser Ansatz wird auch als Linien-Scrum oder auch ScrumButMethod bezeichnet, da nicht alle Elemente der Entwicklungsmethode SCRUM verwendet werden. Der Focus liegt hier auf Kommunikations- und Zusammenarbeitselementen des Scrum-Ansatzes, (die Autoren verwendeten beispielsweise Daily Scrum Meetings, Sprint Planning Meetings, jedoch keine time boxed Sprints).
Im Bereich hoher Aufgabenkomplexität sowie hoher Mitarbeitereinbeziehung kommt der Ansatz des Agile Engineering zur Anwendung. Diese Methode verbindet Elemente der Agile Kommunikation mit dem Inkrementell Agile Ansatz. Hier wird SCRUM sowohl hinsichtlich der Mitarbeiterführung, wie auch des Projektmanagements angewandt. Kommunikation erfolgt anhand von Daily Meetings, Projektausführung anhand von Sprints; Projektbacklogs bzw. Ergebnisvorgaben werden vom Management eingebracht.
Die Autoren wenden das Konzept des Agile Engineering bei zwei Fallstudien in Entwicklungsprojekten eines internationalen Konzerns an. Als Erfolg dieser Methode wird die Mitarbeiterzufriedenheit anhand von Moving Motivators bestimmt.
Die Autoren berichten, dass durch die Anwendung ihrer Managementmethode Agile Engineering die Motivation der Mitarbeiter steigt, was sie als Erfolg werten, aber auch gleichzeitig darauf hinweisen, dass weitere Studien notwendig sind um ihren Ansatz zu prüfen (vor allem im Hinblick auf die Zusammensetzung der Teams mit unterschiedlichen Mitarbeitertypen).
[1] Kolb, Arthur; Hecker, Philipp (2016) : Agile Engineering: Introduction of a new management Concept, Journal of Applied Leadership and Management, ISSN 2194-9522, Vol. 4, pp. 41-50
Mathias Karst
Kontaktieren Sie Mathias KarstMathias Karst arbeitet bei der HOOD GmbH als Berater mit Leidenschaft und viel persönlichem Engagement mit Menschen, Teams und Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Herrn Karst zeichnen Erfahrungen im internationalen Projektmanagement sowie in der Umsetzung von Anforderungen in technische Designlösungen aus. Insbesondere besitzt er Kenntnisse des Requirements Management und Engineering im Umfeld von sicherheitsrelevanten Systemen mit hohem Anspruch auf Qualität und Nachweisbarkeit.
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