Tag des Systems Engineering – was gibt es Neues?
Die deutschsprachige Systems Engineering Community trifft sich! Vom 8. bis 10. November 2017 fand der Tag (“die Tage”) des Systems Engineering (TdSE) im Heinz Nixdorf MuseumsForum (HNF) Paderborn statt. Was sind die aktuellen Themen im Systems Engineering?
Modellierung im Fokus
Modellierung ist natürlich das vorherrschende Thema, mit SysML (inkl. Tutorial zu SysMLlight) und zugehörigen Methoden, Vorgehensweisen und Techniken. Viele Vorträge adressierten dazu die Einbindung des kompletten Produktlebenszyklus, Varianten- und Produktmanagement, sowie Sicherheit und Zuverlässigkeit in Systemen.
Das modellbasierte Systems Engineering (MBSE) ermöglicht virtuelles Entwickeln und ist in vielen Vorträgen ein zentrales Thema. MBSE ist jedoch nicht mehr ganz so dominant vertreten wie in den letzten Jahren. Vermehrt werden weitere wichtige Fragen diskutiert, z.B. wie Innovation, der Mensch als Teilsystem, Systemtheorie, autonome Systeme, Selbstheilung, IoT und Digitalisierung in Zukunft im Systems Engineering eine Rolle spielen können oder müssen. Auch System-of-Systems ist im Kommen, sowie auch “Agiles Systems Engineering”, wozu sich gerade neue GfSE-Arbeitsgruppe gebildet hat (siehe auch weitere Blogs zu Agile Systems Engineering).
Sicht der Industrie
Spannend auch Vorträge aus der Industrie – so langsam etabliert sich überall das Systems Engineering unternehmenweit und hält Einzug in die alltägliche Praxis. Der TdSE wird traditionell durch die zahlreichen SE-Erfahrungsberichte aus den Firmen bereichert; so auch diesmal, mit Vorträgen u.a. von Google, Audi, CLAAS, Schäffler und Continental. Requirements Engineering hat sich als wesentliche Methodik aus dem Systems Engineering durchgängig etabliert. Das gewachsene Bewusstsein für Systems Engineering in der Industrie wurde in den Vorträgen deutlich, oft sieht man hier Bilder von großen V-Modellen, die das etablierte SE mit den einzelnen Phasen des Produktlebenszyklus als Gesamtheit zeigen. Modellierung scheint in der Industrie eher noch in den Anfängen zu stecken, oder sich auf Teilbereiche zu beschränken. Die modellbasierte Entwicklung, mit Modellen als vollständige Informationsdatenbank und als Basis zur frühzeitigen Systemsimulation wird derzeit offenbar eher den Forschungsprojekten oder -organisationen überlassen – aus welchem Grund auch immer.
Direkter Kontakt zu Tool-Herstellern
Noch interessant zu erwähnen: Es waren viele Toolhersteller anwesend, die in speziellen Sessions zu verschiedenen Themen ihre Werkzeuge demonstrierten. Diesmal lag der (vorgegebene) Fokus auf Variantenmanagement. Die Sessions dazu boten eine hervorragende Gelegenheit, die jeweiligen Tools näher kennenzulernen.
Außerdem wurde wieder der jährliche Studienpreis der GfSE an hervorragende Bachelor oder Arbeiten aus dem Systems Engineering vergeben. Für Studenten durchaus lohnenswert, da ihnen Preisgelder bis zu 1500 Euro winken.
Fazit
Der TdSE ist immer wieder spannend und eine prima Mischung zwischen Industrie, Beratern, Toolherstellern und Wissenschaft. Systems Engineering ist oft noch sehr modellierungslastig und von schwergewichtigen Vorgehensweisen geprägt. Ich freue mich, dass inzwischen immer öfter Themen wie “Agilität” oder “Mensch als Faktor” mit aufgegriffen werden. Gerade bei der agilen und digitalen Transformation, die uns gerade alle herausfordert, sind dies wichtige Faktoren.
Übrigens: HOOD ist korporatives Mitglied der GfSE und war wieder Sponsor beim TdSE. Veranstaltet wurde der TdSE von der Gesellschaft für Systems Engineering e.V. (GfSE), die auch das deutsche Chapter des International Council on Systems Engineering (INCOSE) repräsentiert.
TdSE-Konferenzband 2017 erhältlich
Der TdSE-Konferenzband 2017 ist übrigens käuflich erhältlich und enthält u.a. folgende Vorträge von Autoren aus Industrie, Wissenschaft und Beratungsinstituten:
Session: Zukunft des Systems Engineering
- Systemtheorie als wissenschaftliche Grundlage des Wirtschaftsingenieurwesens (V. Ahrens)
- Ein Blick auf Zukunftsszenarien und Herausforderungen für das zukünftige Engineering im Anlagenbau (M. Gepp, J. Vollmar, A. Schertl, H. Palm)
- Systems Engineering as an Enabler for Future Innovation (J. Heidrich, M. Becker, T. Kuhn, T. Kleinberger, M. Damm, A. Duell)
Session: it’s OWL
- Bedarfsgerechter SE Prozess für einen mittelständischen Hersteller von Automatisierungskomponenten (A. Czaja, M. Amon, R. Dumitrescu, R. Lampert, D. Gaarmann)
- Modellbasierte Entscheidungsunterstützung in der Produktgenerationenplanung (A. A. Albers, A. Kühn, R. Dumitrescu)
- Systemmodelle als Schlüssel zu durchgängigen XIL-Testszenarien (J. Schmitz, M. Fockel)
- Modellgestützter Entwurf eines Multisensormoduls für die Gebäudeautomation (M. Hesse, T. Born, Th. Jungeblut)
- Virtuelle Inbetriebnahme eines Fertigungszentrums (C. Henke, J. Michael, C. Lankeit, A. Trächtler)
- Entwurf eines FPGA-basierten Verbindungsknotens als Prototypenumgebung für energieeffiziente und sichere Gebäudeautomationssysteme (J. Tlatlik, T. Hansen, J. Lachmair, J. Hagemeyer)
Session: SYSMOD, FAS und VAMOS
- Systemmodellierung mit SYSMOD, FAS und VAMOS (J. G. Lamm, T. Weilkiens)
- Storyboards in der Systementwicklung: eine neue Methode und ihr Zusammenspiel mit der FAS-Methode (J. G. Lamm, A. Mettauer, G. Moeser, T. Weilkiens, A. Albers)
- Konzept zur Verhaltensmodellierung mit der Systems Modeling Language (SysML) zur Simulation varianten Systemverhaltens (D. Arndt, S. Melzer, R. God, M. Sieber)
Session: Model-Based Systems Engineering
- Modellbasierte Sicherstellung der funktionalen Interoperabilität von Testsystemen in der Antriebsstrangentwicklung (C. Zingel, R. Korošec, J. Fritz, S. Dragaschnig)
- EXEED: Integrierte, modellbasierte Entwicklung des E/E-Systems der neuen Fahrzeugplattform von CHERY (J. Kaiser, G. Fernandez Soto, X. Tang, J. Li, G. Guo, C. Wen, J. Brandscheid)
- (Model-Based) Systems Engineering für die Digitalisierung der Produktentwicklung (S. Kleiner, S. Husung, C. Mandel, A. Albers, M. Behrendt)
- Sequence Pattern Mining: Automatisches Erkennen und Auswerten von Interaktionsmustern zwischen technischen Assets basierend auf SysML-Sequenzdiagrammen (A. Mazak, M. Wimmer)
- SysML-Modelle maschinell verstehen und verknüpfen (P. Mochine, A. Sünnetcioglu, O. von Dungern, R. Stark)
- Ausführbare Spezifikation – Berechnungen von komplexen Systemzusammenhängen (M. Andres, M.l Bockmair)
Session: Product Lifecycle Management
- Ein „Artefaktmodell“ zur Verbesserung der Prozessmodellierung (M. Brandstätter, K. Roder)
- ConfigML – Erste prototypische Realisierung einer Verwaltung von Modellen mit Modellen im PLM (T. Schulte, S. Groß, S. Langer, L. Kirsch)
- Cutting the “Cross-Cutting” Part 2: Interface Management (M. Di Maio, M. Grundel, M. Hoppe, N. Klusmann)
- Werkzeuge für die Entwicklung mechatronischer Systeme mit Methoden des MBSE (A. Blumör, G. Pregitzer, M. Bothen)
- MBSE-gestützte Strukturierung von Baukästen mechatronischer Produkte im Kontext der PGE – Produktgenerationsentwicklung, am Beispiel zweier Fallstudien (J. Powelske, C. Birk, A. Albers, N. Bursac)
- Model Enabled Offering für erfolgreiche Akquise (M. Neubert)
Session: Methoden
- How to assess the acceptability of design support (L. Becerril, C. Hollauer, N. Kattner, D. Weidmann, U. Lindemann)
- Determining Complexity of Mechatronic Systems using McCabe’s Complexity Metric (D. Bagaria, D. Großmann, T. Burdach)
- KAUSAL – Eine Methodik zur modellbasierten Analyse komplexer Fehlerketten (O. Bielefeld, N. Schlüter, P. Winzer)
Session: Industry
- Eine Umfrage über die Ausprägung von Systems Engineering (Th. Meenken)
- Software is not the only Fruit: Modelling Mechatronic Systems (C. Hood)
- System Architecture Framework als Werkzeug zur MBSE Einführung (S. Ackva, M. Leute)
- Verifikationsstrategie für eine Sensorsuite (W. Weber)
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Dr. Thaddäus Dorsch
Kontaktieren Sie Dr. Thaddäus DorschDr. Thaddäus Dorsch ist als Trainer, Berater und Coaching im Bereich Requirements Engineering und agiler Systementwicklung bei der HOOD Group tätig. Seine Schwerpunkte sind modernes Systems Engineering und effizienter Umgang mit Anforderungen, Vorbereitet sein auf den digitalen Wandel, sowie neu Ansätze in der Systemtheorie und die Kombination von klassischen und agilen Denkweisen und Techniken. Thaddäus Dorsch schöpft aus seiner langjähriger Erfahrung in der Systementwicklung in den verschiedensten Branchen wie Telekommunikation und Biotech, Automotive, Mobilfunk, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Print und Multimedia.