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12 Juni 2012 @ Miriam Poethen

Das Glossar als fester Bestandteil eines Anforderungsdokumentes

„Das MT muss spritzwasserfest sein.“

Diese Anforderung ist ohne zusätzliche Erläuterung weder eindeutig noch verständlich. Was ist ein MT? Und was genau bedeutet spritzwasserfest?

Besonders in neu aufgesetzten, interdisziplinären Projekten, bei denen unterschiedliche Spezialisten mit ihren historisch gewachsenen Fachsprachen zum ersten Mal zusammenarbeiten, aber auch im alltäglichen Projektgeschäft geht oft aufgrund von Kommunikationsproblemen wertvolle Entwicklungszeit verloren.

Man redet aneinander vorbei, da der Einzelne bzw. ein Fachbereich Begrifflichkeiten verwendet, bei denen er davon ausgeht, dass alle Projektbeteiligten dasselbe Verständnis von ihnen haben. Missverständnisse entstehen, müssen erkannt und ausgeräumt werden. Kurzum: Man verliert sich in Grundlagendiskussionen, anstatt das eigentliche Projekt voranzutreiben.

Solche Diskussionen sind zeitraubend und können vermieden werden, indem man bereits im Vorfeld wichtige Begriffe und Abkürzungen in einem Glossar definiert. Damit verständigt man sich auf eine gemeinsame Begriffswelt und fördert die Kommunikation. Ein weiterer Vorteil eines Glossars ist, dass Begriffe, die einmal in einem Glossar definiert sind, in beliebig vielen Anforderungen verwendet werden können. Damit muss man diese Begriffe nicht wieder und wieder in der Anforderung selbst erklären und die Anforderungen jedes Mal ausformulieren.

Sinnvoll ist es daher, beim Start eines neuen Projekts einen separaten Workshop für die Erstellung eines Glossars abzuhalten. Je nach Größe des Projektteams nehmen daran alle Beteiligten bzw. ausgewählte Vertreter jeder Fachdisziplin teil. Es werden u.a. folgende Kategorien von Begriffen definiert und in einem Glossar dokumentiert:

  • kontextspezifische Fachbegriffe
  • Abkürzungen
  • Synonyme (Mehrere Begriffe mit derselben Bedeutung, wie z.B. „Laptop“ und „Notebook“)
  • Homonyme (Ein Begriff, der unterschiedliche Bedeutungen hat, wie z.B. das Wort „Bank“)
  • alltägliche Begriffe, die im gegebenen Kontext eine spezifische Bedeutung haben

Eine initiale Begriffsdefinition reicht allerdings meist nicht aus, denn im Laufe des Projekts wird man auf weitere Fachbegriffe oder Abkürzungen stoßen, die noch nicht festgelegt wurden. Es muss also auch vereinbart werden, wie das Glossar gepflegt wird und wer das macht. Denn wird das Glossar nicht fortlaufend aktualisiert, so verliert es mit der Zeit an Wert.

Wichtig ist auch, dass das Glossar allen zugänglich ist, damit jeder Begriffe nachschlagen kann. Zudem kann dadurch jeder dem oder den Verantwortlichen des Glossars Vorschläge zu noch nicht im Glossar definierten Begriffen unterbreiten.

Ein Glossar kann wie folgt aussehen:

Begriff Abkürzung Definition Synonyme Quelle der Begriffsdefinition
Mobiltelefon MT Ein Mobiltelefon ist   ein tragbares Telefon, das über Funk mit dem Telefonnetz kommuniziert. Handy, Funktelefon Fr. Meier im Workshop am
23. Mai 2012
Spritzwasserfest Das Gehäuse darf bei Einwirkung von 100 ml Wasser, das mit 4 m/s aus jeder Richtung gleichmäßig  innerhalb 1 min einwirkt, keine schädliche Wirkung haben. 0815 Norm

Die feste Integration eines Glossars beim Schreiben von Anforderungsdokumenten bedeutet zwar Mehraufwand, erhöht aber gleichzeitig merklich die Eindeutigkeit von Anforderungen und damit ihre Qualität – ein Anspruch, den jedes Unternehmen zur Verkürzung ihrer Entwicklungszeiten und zur Erreichung ihrer Entwicklungsziele hat.

Diskussion

Eine Antwort zu “Das Glossar als fester Bestandteil eines Anforderungsdokumentes”

  1. Die Pflege eines Glossars einerseits und der Zugriff darauf andererseits sind jedoch nach wie vor große Hürden, an denen „Reibungsverluste“ entstehen. Eine passende Werkzeugunterstützung kann da helfen. In einem Wiki ist es bspw. möglich, Glossareinträge direkt zu verlinken, was die Pflege vereinfacht und den Zugriff durch einen einzigen Klick ermöglicht.

    Leider ist ein Wiki nicht sonderlich gut fürs Anforderungsmanagement geeignet. Aber für das OpenSource-Werkzeug ProR haben wir prototypisch eine Modellintegration entwickelt, die es unter anderem erlaubt, direkt im Anforderungstext Glossareinträge anzuzeigen und zu pflegen:

    http://www.formalmind.com/en/blog/integrating-requirements-and-models

    Dies ist vielleicht für den einen oder anderen interessant.

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Miriam Poethen

Kontaktieren Sie Miriam Poethen

Frau Miriam Poethen ist als Consultant im Bereich Requirements Engineering tätig. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Unterstützung unserer Kunden beim Einsatz von Requirements Engineering und zugehöriger Werkzeuge. Zu ihren Aufgaben zählen die Erhebung, Verbesserung und Dokumentation von funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen, der Einsatz von verschiedenen Modellierungstechniken aus der UML sowie die Einführung integrierter Application Lifecycle Management Umgebungen in der Softwareentwicklung mittlerer und größerer Organisationen.

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