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22 March 2016 @ Matthias Mohme

Warum Agilität nichts mit Romantik zu tun hat

Was ist passiert?

Gestern habe ich ihn wieder gehört. Einen Satz, oder vielmehr einen Platzhalter für eine Vielzahl von Sätzen, die mich seit langer Zeit aufwühlen und unverstanden zurücklassen. Es sind Sätze wie:

„Es gibt die Wirklichkeit und eine romantische Vorstellung von dem, wie es sein soll“, oder „Es geht nicht immer darum, dass alle mit Freude zur Arbeit gehen“.

Gängige Floskeln, die mit Wörtern wie „Sozialromantik“ „Idealismus“ oder „Traumwelt“ ausgeschmückt und mit einem süffisanten oder teils bemitleideten Lächeln begleitet werden. Floskeln, die immer dann in meinem Beraterleben fallen, wenn Themen wie Kultur, Kommunikation oder Veränderung Einzug halten und man merkt, dass Prozesse und Methoden an Grenzen stoßen.

Zugeständnisse

Als Trainer, Berater und Coach für Agile Produktentwicklungsmethoden bin ich davon überzeugt, dass eine iterativ/inkrementelle Vorgehensweise dabei helfen kann, Produkte zu entwickeln, die der Kunde nicht nur braucht, sondern auch will. Als Scrum-Master bin ich auch davon überzeugt, dass es manchmal eine radikale Änderung eines Vorgehensmodells braucht, um eine Veränderung herbeizuführen. Überzeugungen, auch wenn ich damit nicht alleine bin, die jedoch austauschbar und vielleicht in einigen Jahren überholt sein werden.

Warum ich Nachts nicht schlafen kann

Diese Überzeugungen sind aber nicht der Grund, warum ich während eines Gespräches Gänsehaut bekomme, warum ich Nachts im Bett liege und den Tag reflektiere, warum ich vom Tag beseelt grinsend im Zug sitze und es kaum erwarten kann, das zu tun, was ich jeden Tag aufs Neue tue. Fragt man mich nach meinem „Warum“, nach meinem Antrieb hinter dem, was sich „Agile“ nennt, so antworte ich stets „Mehr Menschlichkeit“.

Über Sozialpflichtigkeit von Eigentum

Agile ist mein Vehikel, mein Container meiner sozialen Verantwortung für mehr Menschlichkeit nachzukommen und dafür einzustehen. Der einzige Nutzen von Unternehmen, und da widerspreche ich einigen Meinungsmachern rund um das Filmprojekt „AUGENHÖHEwege“, besteht nicht darin, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, (Wirtschaftlicher Erfolg ist vielmehr die Existenzberechtigung jedes Unternehmens) sondern setzt sich aus einer Vielzahl von Faktoren zusammen, von denen einer im Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt formuliert wird:

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“.

Wie können wir dieser Verpflichtung ohne ein Mehr an Menschlichkeit, Augenhöhe, Respekt und Wertschätzung nachkommen?

Wider der Romantik!

Mein Antrieb ist es, dieser Verpflichtung den Beigeschmack der Romantik und des Idealismus zu nehmen und sie, statt sie als Träumerei oder Hype abzutun, dort wahrzunehmen, wo sie relevant ist:

Überall und immer!

Was stattdessen?

Ich tue das, indem ich Probleme anspreche, für Transparenz sorge, Fragen stelle, Lösungen suche, andere Lösungen zulasse, andere Meinungen gelten lasse, unbequem bin, vermittle, offen kommuniziere, nicht schlecht über Dritte spreche, Fehler bei mir suche, immer ein bisschen besser werden möchte, neugierig bin, Dinge in Frage stelle, mich in Frage stelle, netzwerke, Fehler mache und darüber spreche, echt bin, Neues probiere, Menschen vertraue, Selbstorganisation ermögliche, Feedback gebe, ansprechbar bin, Schwächen zeige, über mich lache, mich nicht zu ernst nehme, Wachstum ermögliche, keine Maske trage.

Wie oft mir das alles gelingt? Viel zu selten! Ist es das wert? Unbedingt!

Die gute Nachricht

Um dieser Verpflichtung nachzukommen, brauchen Sie nicht auf einen Scrum-Master, Agilisten, Psychologen, Coach, Feelgood Manager, Projektleiter oder eine andere Rolle zu warten. Noch brauchen Sie die offizielle Legitimation, die durch einen Titel auf der Visitenkarte verliehen wird. Fangen Sie einfach an. Ich freue mich von Ihnen zu hören!

Matthias Mohme

Kontaktieren Sie Matthias Mohme

In den ersten Berufsjahren als Konstrukteur im klassischen Maschinenbau tätig, entdeckte der 1982 geborene Dipl. Ing. aus München in den darauf folgenden Jahren als Produktmanager seine Leidenschaft für SCRUM und KANBAN in der Softwareentwicklung. Seine Erfahrungen und Beobachtungen, wie sich die Einführung Agiler Methoden auf Mitarbeiter, Teams und ganze Organisationen auswirkt, gibt er als Consultant für Anforderungsmanagement bei der HOOD GmbH weiter.