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28 May 2013 @ Karsten Krennrich

Kosten, Zeit und Qualität optimieren: Anforderungsmanagement für Produktlinien – Teil 8: Die Unternehmensstruktur für ein produktlinienorientiertes Anforderungsmanagement

This entry is part 8 of 13 in the series Produktlinien

Nachdem wir uns in den vorangegangen Teilen der Blogreihe sehr viel mit dem Aufbau einer Produktlinie (ihrer Produktlinieninfrastruktur und ihrer Produkte) beschäftigt haben, wollen wir uns heute dem Menschen, der letztendlich mit den vorgestellten Konzepten arbeiten muss und für die Entwicklung der Produkte verantwortlich ist, widmen.

Auf die folgenden Fragen möchten wir heute gerne Antworten geben:

Welche Rollen bzw. Verantwortlichkeiten muss es für das Anforderungsmanagement für Produktlinien geben? Welche Beziehungen, im Sinne von Kommunikation, bestehen zwischen diesen Rollen? Und, wie sind sie im Unternehmen oder der Organisation eingegliedert strukturiert?

Möchten wir zunächst zurückblicken und uns nochmals den Aufbau des, im zweiten Teil dieser Blogreihe vorgestellten, Referenzprozesses für eine Produktlinienentwicklung vor Augen führen:

Abbildung 1: Referenzprozess für die Software-Produktlinienentwicklung [Böckle 04]

Aus Abbildung 1 lassen sich die folgenden Artefakte einer Produktlinie ableiten, die wir nochmals näher betrachten und bzgl. Verantwortlichkeiten untersuchen wollen:

  1. Die Produktlinieninfrastruktur (Domäne)
  2. Die Produkte, die aus der Produktlinieninfrastruktur abgeleitet werden (Applikationen)

Für das Anforderungsmanagement und die Entwicklung der genannten Artefakte bedarf es nun Menschen mit definierten Verantwortungen, die wir uns nun näher anschauen (Da wir uns nicht im „Dschungel der Rollennamen verirren wollen“ und auch keine neuen Rollenbezeichnungen einführen wollen, beschränken wir uns im Folgenden darauf nur zu beschreiben, wofür Verantwortlichkeiten notwendig sind):

Rollen und Verantwortlichkeiten der Produktlinieninfrastruktur

Da die Produktlinieninfrastruktur (Domäne) in den häufigsten Fällen etwas grundsätzlich Neues in einem Unternehmen, das bisher keine Produktlinienentwicklung durchführt, darstellt, steckt hinter dem Finden und Etablieren von Rollen und Verantwortlichkeiten hierfür auch eine der größten Herausforderungen bei der Einführung einer Produktlinie. Erfahrungsgemäß müssen hierbei sehr viele Hürden überwunden werden, da es hierbei um ein grundsätzliches Umdenken geht. Das Produkt ist nun nicht mehr alleinig der Entwicklungsgegenstand, der einem Unternehmen den größten Nutzen bringt. Es hat einen „gleichwertigen“ Widersacher bzw. Partner bekommen, nämlich die Produktlinieninfrastruktur. In ihr werden wiederverwendbare Anforderungen verwaltet, die sich in den jeweiligen Produkten wiederfinden. Mit der Produktlinieninfrastruktur bekommt ein Unternehmen einen „Schatz“, den es stetig zu pflegen und weiterzuentwickeln gilt. Denn nur dadurch ist es möglich zukünftig Produkte zu entwickeln, die durch Wiederverwendung kostengünstiger und qualitativ hochwertiger sind. D.h. aber auch, dass sich der Nutzen eines produktlinienorientierten Anforderungsmanagement nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit einstellen wird.

Häufig wird die Pflege der Produktlinieninfrastruktur stark unterschätzt und als etwas gesehen, dass beiläufig durchgeführt werden kann. Dies ist jedoch nicht richtig. Die Verantwortlichen für die Produktlinieninfrastruktur müssen u.a. folgende zwei Arten von Anforderungen aufnehmen und beherrschen können:

  1. Anforderungen, die direkt der Produktlinieninfrastruktur zugeführt werden; z.B. Anforderungen, welche die grundsätzliche Firmenausrichtung betreffen oder Anforderungen, die unabhängig vom Kunden von allen Produkten erfüllt werden müssen (hierunter fallen u.a. Normen und Gesetze).
  2. Anforderungen welche über die Produkte der Produktlinieninfrastruktur zugeführt werden. Dies sind z.B. Anforderungen, die direkt von Kunden gefordert werden.

Diese Arten von Anforderungen in der Produktlinieninfrastruktur „unter einen Hut zu bringen“ und an entsprechende Produkte weiterzugeben bedarf einer klaren Verantwortungszuordnung.

Rollen und Verantwortlichkeiten eines Produkts

Für Produkte dagegen sind in den meisten Fällen Verantwortlichkeiten klar definiert. Meist sind dies bekannte Rollen wie Projektleiter, Komponentenverantwortlicher usw.. Sie müssen, wie im Anforderungsmanagement ohne Produktlinie zunächst auch dafür Sorge tragen, dass alle Anforderungen, die das Produkt erfüllen muss, entsprechen verwaltet werden. Zusätzlich kommt jetzt allerdings hinzu, dass beim produktlinienorientierten Anforderungsmanagement auch eine dauernde Verbindung zur Produktlinieninfrastruktur besteht. Insbesondere bei Änderungen von Anforderungen für das Produkt müssen diese auch an die Produktlinieninfrastruktur weitergegeben werden.

Zusammenspiel der Rollen

Schauen wir uns nun noch das notwendige Zusammenspiel zwischen den o.g. Rollen an. Die Beschreibungen der Rollen zeigen schon, dass zwischen diesen eine bidirektionale Kommunikation stattfinden muss. Es müssen sowohl Anforderungen aus der Produktlinieninfrastruktur an Produkte vermittelt werden, als auch Anforderungen aus einzelnen Produkten an die Produktlinieninfrastruktur.

 

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass ein produktlinienorientiertes Anforderungsmanagement nur stattfinden kann, wenn es auch die Menschen gibt, die sich darum kümmern.

 

Literatur:

[Böckle 04]                 Günter Böckle, Peter Knauber, Klaus Pohl, Klaus Schmid: Software-Produktlinien. Methoden, Einführung und Praxis, 2004

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Karsten Krennrich

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Herr Karsten Krennrich ist als Consultant der HOOD Group tätig. Seine Schwerpunkte liegen in der Beratung von Requirements Engineering (RE) orientierten Entwicklungsprozessen. Er ist als Projektleiter bei der HOOD Software Division verantwortlich für die Realisierung von Softwarelösungen im Bereich der Entwicklungsprozess unterstützenden Werkzeuge. Für diese Anpassungen und Erweiterung von Standard Werkzeugen erarbeitet Herr Krennrich auch die zur Realisierung notwendigen Konzepte. Bei deren Implementierung arbeitet Herr Krennrich unter anderem auch mit den Konfigurationsmanagement Werkzeugen CMSynergy und Subversion. Neben dem RM-Werkzeug DOORS® von IBM hat Herr Krennrich auch Praxiserfahrungen mit den Werkzeugen CaliberRM® von Borland und RequisitePro® von IBM. Er verfügt außerdem über Erfahrungen im Bereich Datenbanken und Informationssysteme, im Software Engineering und im Themenbereich Produktlinien.